„Man kann den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.“
– Aristoteles
Ist Lautstärke gleichbedeutend mit Sichtbarkeit? Oft scheint es, als ob nur die „lauten“ Stimmen Gehör finden. Aber bedeutet eine erfolgreiche Karriere zwangsläufig, sich ständig „in Szene zu setzen“ und „die Bühne“ für sich zu beanspruchen?
Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich in einem Meeting, umgeben von Kollegen, die in einem lebhaften Ideenaustausch engagiert sind. Wörter fliegen durch den Raum, Ideen prallen aufeinander, und ab und zu entflammt eine hitzige Diskussion. Inmitten dieser Dynamik fällt Ihnen Frau Meier auf, die bisher still dem Geschehen gefolgt ist. Als sie schließlich das Wort ergreift, sind ihre Worte bedacht und klar, ihre Stimme leise, aber bestimmt. Innerhalb von Sekunden kehrt Stille im Raum ein. Frau Meier bringt einen wichtigen, bisher übersehenen Aspekt zur Sprache, der die Diskussion in eine neue Richtung lenkt.
Diese Szene wirft eine wichtige Frage auf: Warum wartet Frau Meier so lange mit ihrer Idee? Ist es die introvertierte Natur, die sie dazu bringt, ihre Gedanken sorgfältig zu formulieren, bevor sie sie teilt?
Eine kleine Geschichte zur Introversion
Carl Gustav Jung beschrieb schon in den 1920er Jahren, dass Menschen sowohl introvertierte als auch extravertierte Züge tragen. Es gibt weder den rein introvertierten noch den rein extravertierten Menschen – es ist eher, wie Susan Cain beschreibt, ein Spektrum, auf dem jeder seine Position findet.
Introvertierte schöpfen ihre Energie aus alleinigen Tätigkeiten, während Extravertierte Energie aus sozialen Interaktionen ziehen. Doch Stille bei Introvertierten bedeutet nicht Inaktivität. Ihr inneres Leben ist oft reich und aktiv, auch wenn sie nach außen hin ruhig erscheinen.
Stille Kräfte
Tiefe statt Breite: Introvertierte neigen dazu, Informationen intensiver zu verarbeiten. Sie reflektieren gründlich, bevor sie sprechen oder handeln, und wählen Qualität vor Quantität. Ihre Beiträge sind oft präzise und wohlüberlegt.
Perfekte Zuhörer: Introvertierte sind aufmerksame Zuhörer, die dem Gesagten folgen und gezielte, durchdachte Fragen stellen. Sie bevorzugen tiefgründige und substanzreiche Gespräche in kleineren Gruppen.
Ein Plädoyer für Vielfalt
In einer Welt, die oft die lautesten Stimmen belohnt, ist es wichtig, die stille Stärke zu würdigen. Introvertierte bringen eine wertvolle Perspektive in jedes Team und jede Organisation. Sie lehren uns, dass effektive Kommunikation nicht immer laut sein muss und dass tiefes Zuhören genauso wichtig ist wie das Sprechen selbst.
Gleichzeitig ist es wichtig zu betonen, dass viele der beschriebenen Qualitäten nicht ausschließlich introvertierten Personen vorbehalten sind. Extravertierte können ebenfalls über diese Fähigkeiten verfügen. Eine ausgewogene Mischung aus verschiedenen Persönlichkeitstypen führt zu einer dynamischen und kreativen Arbeitsumgebung, in der jeder seine Stärken zum Ausdruck bringen kann.
In diesem Sinne sollte unser Ziel sein, eine Arbeitskultur zu schaffen, die Vielfalt in allen ihren Formen schätzt und fördert – eine Kultur, in der sowohl die leisen als auch die lauten Stimmen gleichermaßen gehört und geschätzt werden.
Autorin:
Ingeborg Kuca, MSc
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